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Manchmal geht im Stress des Alltags etwas unter. Häufig lassen sich diese Versäumnisse nachholen. Selbstverständlich sollte dies gerade nicht bei wirklich wichtigen Fristen wie etwa Rechtsbehelfsfristen geschehen. Doch was passiert, wenn eine solche Frist im Strafverfahren versäumt wurde? Ist alles verloren und die Entscheidung unangreifbar? Die gute Nachricht: Nicht unbedingt. In vielen Fällen bietet die Strafprozessordnung mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einen Rettungsanker, wenn Fristen ohne eigenes Verschulden versäumt wurden. Im Folgenden erklären wir Ihnen, was es damit auf sich hat, welche Voraussetzungen gelten und was Sie tun können, um Ihre Rechte doch noch zu wahren.
Bitte beachten Sie auch unseren Disclaimer am Ende des Beitrags sowie, dass dieser Beitrag keine individuelle Rechtsberatung darstellt und diese auch nicht ersetzen kann. Dieser Beitrag ist ebenfalls weder abschließend noch vollständig und bildet somit nicht jede Verfahrensoption ab. Zögern Sie daher nicht, rechtzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Sie haben einen Strafbefehl in Berlin erhalten oder möchten gegen ein strafgerichtliches Urteil vorgehen? Gerne prüfen wir gemeinsam Ihre Situation und besprechen die geeigneten nächsten Schritte. Sie können uns hierzu jederzeit kontaktieren.
Inhalt dieses Beitrags:
- Bedeutung des Fristversäumnisses im Strafverfahren
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – was ist das genau?
- Typische Gründe für eine unverschuldete Fristversäumnis
- Wie beantragt man die Wiedereinsetzung?
- Inhalt des Antrags
- Achtung, kurze Frist für den Antrag!
- Was passiert nach dem Antrag?
- Fazit
- Sie wünschen eine individuelle Rechtsberatung?
- Legal Disclaimer (Haftungsausschluss)
Bedeutung des Fristversäumnisses im Strafverfahren
Rechtsbehelfsfristen – etwa für den Einspruch gegen einen Strafbefehl, die Einlegung der Berufung oder Revision gegen Strafurteile – sind sehr strikt. Wird eine solche Frist nicht eingehalten, wird die Entscheidung in der Regel rechtskräftig. Das heißt, sie kann nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen angefochten werden. Beispielsweise wird ein Strafbefehl rechtskräftig, wenn innerhalb von zwei Wochen kein Einspruch eingeht (§ 410 StPO). Ein rechtskräftiger Strafbefehl steht einem Urteil gleich; die festgesetzte Strafe muss bezahlt werden und wird ggf. ins Bundeszentralregister eingetragen. Ähnliches gilt bei Strafurteilen: Sind die Berufungs- oder Revisionsfristen abgelaufen, ist die Verurteilung grundsätzlich endgültig. Die Möglichkeiten der Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten (§ 359 StPO) oder die Verfassungsbeschwerde bleiben in diesem Beitrag außer Betracht.
Doch was, wenn Sie die Frist unverschuldet versäumt haben? Hier kann § 44 StPO einen Ausweg bieten. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, muss auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Das bedeutet, das Gericht stellt den früheren Verfahrensstand wieder her – so, als wäre die Frist nie abgelaufen. Die versäumte Handlung (z.B. Einlegung des Einspruchs, der Berufung oder der Revision) kann dann nachgeholt werden. Sie erhalten eine zweite Chance.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – was ist das genau?
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein Rechtsbehelf, der in den §§ 44 ff. StPO geregelt ist. Er soll sicherstellen, dass niemand einen Rechtsverlust erleidet, wenn er ohne eigenes Verschulden eine Frist versäumt. Konkret sagt das Gesetz in § 44 S. 1 StPO:
“War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.”
In einfachen Worten: Haben Sie die Frist unverschuldet verpasst, können Sie so gestellt werden, als hätten Sie die Frist eingehalten.
Wichtig: Dies gilt nur dann, wenn Sie die Fristversäumnis nicht zu verschulden hatten. Eigene Nachlässigkeit, Vergesslichkeit oder bewusste Entscheidung, eine Frist verstreichen zu lassen, schließt die Wiedereinsetzung in der Regel aus. Wer z.B. absichtlich keinen Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegt, obwohl er könnte, und es sich erst nach Fristablauf anders überlegt, kann nicht auf Wiedereinsetzung hoffen. Unverschuldet bedeutet, es gab ein Hindernis, das Sie nicht zu vertreten haben und das die fristgerechte Handlung unmöglich machte.
Das Gesetz selbst nennt in § 44 S. 2 StPO einen Sonderfall: Wurde die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung (der Hinweis auf Rechtsbehelf und Fristen) vom Gericht unterlassen, gilt die Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist als unverschuldet. In so einem Fall muss Wiedereinsetzung gewährt werden.
Typische Gründe für eine unverschuldete Fristversäumnis
In der Praxis gibt es verschiedene Entschuldigungsgründe, die Gerichte als nicht Ihr Verschulden anerkennen können. Natürlich kommt es immer auf den Einzelfall an, sodass diese Aufzählung weder vollständig oder abschließend sein kann und auch nicht feststeht, dass dies in Ihrem Fall auch einschlägig ist. Dieser Beitrag kann und soll keine individuelle Rechtsberatung ersetzen. Häufige Beispiele für ein unverschuldetes Hindernis sind etwa:
- Krankenhausaufenthalt: Sie waren schwer erkrankt oder lagen z.B. im Krankenhaus (vielleicht sogar im Koma) und konnten deshalb die Frist nicht wahrnehmen. Wenn Sie erst nach Fristablauf wieder handlungsfähig werden, trifft Sie regelmäßig kein Vorwurf.
- Auslandsaufenthalt/Urlaub: Sie waren verreist und haben von dem behördlichen Schreiben nichts mitbekommen. Hier kann keine pauschale Bewertung getroffen werden. Es kommt auf die Umstände Ihres konkreten Einzelfalls an, ob dieses Fristversäumnis dann noch als unverschuldet gilt.
- Umzug oder falsche Zustellung: Der Brief wurde an eine alte Anschrift oder eine Meldeadresse geschickt, unter der Sie gar nicht mehr tatsächlich wohnen. Häufig kommt es vor, dass ein Strafbefehl im Briefkasten einer ehemaligen Wohnung landet. In solchen Fällen beginnt die Frist oft gar nicht erst zu laufen, weil die Zustellung unwirksam war. Jedenfalls hilfsweise könnte auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Rettungsanker darstellen.
- Postverlust oder Fehler des Gerichts: Sie haben fristgerecht reagiert, aber der Einspruch ging auf dem Postweg verloren oder landete verspätet beim falschen Gericht. Postbedingte Verzögerungen fallen häufig nicht in Ihren Verantwortungsbereich.
- Fehlverhalten Dritter: Auch wenn ein beauftragter Verteidiger die Frist versäumt, wird das im Strafprozess dem Mandanten grundsätzlich nicht zugerechnet. Anders als im Zivilrecht (wo Anwaltsfehler dem Klienten schaden können, siehe § 85 Abs. 2 ZPO) soll im Strafverfahren der Angeklagte nicht für Versäumnisse seines Anwalts haften. Beispiel: Ihr Anwalt schickt die Berufung versehentlich zu spät ab – Sie können dennoch Wiedereinsetzung beantragen, da Sie persönlich kein Verschulden trifft.
Natürlich müssen Sie Ihren Hinderungsgrund im Antrag glaubhaft machen, dazu gleich mehr. Wichtig ist zunächst: Nur wenn Sie unverschuldet gehindert waren, besteht eine Chance auf Wiedereinsetzung.
Wie beantragt man die Wiedereinsetzung?
Wiedereinsetzung gibt es nicht automatisch, sondern nur auf Antrag. Sie (bzw. Ihr Verteidiger) müssen also aktiv beim zuständigen Gericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Gleichzeitig sollten Sie die versäumte Handlung nachholen – beispielsweise den Einspruch gegen den Strafbefehl sofort einlegen, wenn diese Frist versäumt wurde (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO). Das Nachholen der Handlung ist zwingend erforderlich, damit das Gericht überhaupt helfen kann. Ohne nachgeholten Einspruch nützt die Wiedereinsetzung nichts, denn es soll ja gerade der Einspruch wirksam werden.
Wichtig: Frist wahren! (Dazu im nächsten Abschnitt mehr.)
Inhalt des Antrags
Im Antrag müssen bestimmte Angaben gemacht werden, damit er Erfolg haben kann. Gemäß § 45 Abs. 2 StPO sind die Gründe für die Fristversäumnis glaubhaft zu machen. Das heißt, es reicht nicht, einfach zu behaupten, Sie seien krank gewesen. Vielmehr sollten Sie bspw. Belege beifügen.
Hierzu ist es ratsam, sich anwaltliche Unterstützung zu holen.
Achtung, kurze Frist für den Antrag!
Auch der Wiedereinsetzungsantrag selbst unterliegt einer Frist. § 45 Abs. 1 StPO schreibt vor, dass der Antrag innerhalb von einer Woche nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden muss. Die Wochenfrist beginnt also in dem Moment, in dem das Hindernis nicht mehr besteht – ab diesem Zeitpunkt läuft die Uhr.
Diese Wochenfrist ist extrem kurz und nicht verlängerbar. Daher gilt: Sofort handeln! Verlieren Sie keine Zeit, wenn Sie bemerken, dass eine Frist versäumt wurde. In der einen Woche müssen Sie den Antrag formulieren, einreichen und alle notwendigen Nachweise zusammenstellen. Das ist sportlich – ein weiterer Grund, sofort eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt einzuschalten, die sich routiniert solche Anträge vorbereiten.
Was passiert nach dem Antrag?
Haben Sie den Antrag rechtzeitig gestellt und begründet, entscheidet das Gericht darüber, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre, § 46 Abs. 1 StPO. Wird Wiedereinsetzung gewährt, wird das Verfahren so fortgeführt, als wäre die ursprüngliche Rechtsbehelfsfrist gewahrt worden. Beispiel: Ihr Einspruch gegen den Strafbefehl wird trotz Fristablaufs als zulässig behandelt. Es wird eine Hauptverhandlung terminiert, anstatt dass der Strafbefehl rechtskräftig wird. Oder Ihre Berufung wird trotz verspäteter Einlegung und sodann rechtzeitiger Berufungsbegründung angenommen.
Wichtig: Der Wiedereinsetzungsantrag hemmt zunächst nicht die Vollstreckung (§ 47 Abs. 1 StPO). Solange nicht entschieden ist, gilt formal die alte Rechtslage (der Strafbefehl/Urteil ist ja rechtskräftig). Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen (§ 47 Abs. 2 StPO).
Fazit
Ein unverschuldetes Fristversäumnis ist ärgerlich, aber nicht zwangsläufig das Ende Ihrer Verteidigung. Entscheidend ist, dass Sie schnell reagieren und die Wiedereinsetzung konsequent angehen. Die Gerichte gewähren Wiedereinsetzung nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Zögern Sie nicht, bei versäumten Fristen fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Sie wünschen eine individuelle Rechtsberatung?
Sie haben einen Strafbefehl in Berlin erhalten oder möchten gegen ein strafgerichtliches Urteil vorgehen? Gerne prüfen wir gemeinsam Ihre Situation und besprechen die geeigneten nächsten Schritte. Sie können uns hierzu jederzeit kontaktieren.
Legal Disclaimer (Haftungsausschluss)
Dieser Artikel bietet einen allgemeinen Überblick zum Thema Fristversäumnis und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er wurde mit Sorgfalt erstellt, ist jedoch nicht abschließend oder vollständig und kann keine individuelle Rechtsberatung ersetzen. Es besteht keine Garantie für Richtigkeit. Jeder Fall liegt unterschiedlich und die hier gegebenen Informationen sind kein Rechtsrat für den Einzelfall. Durch das Lesen dieses Beitrags kommt kein Mandatsverhältnis zustande. Wenn Sie eine Rechtsbehelfsfrist unwillentlich versäumt haben, sollten Sie stets die konkreten Umstände mit einem Rechtsanwalt besprechen.
